spuk im office

 

"Wissen sie, was auch lästig ist?", gibt er etwas von sich preis. "Nein.". "Wenn man einen Schriftsatz diktiert und am Ende draufkommt, dass das Gerät nicht aufgenommen hat.".  Sie kichert in sich hinein und staunt, dass sich nun so schnell die Musterbriefe öffnen lassen, was vor einer Minute noch nicht möglich war und sie diese vorerst in die Taskleiste parkte, was natürlich zu Verwirrung führt, wenn inzwischen weitergeschrieben wird und sie zwischendurch etwas anderes bearbeiten soll.

 

"Ja, gar keinen Spaß soll man haben hier.". "Wie nun der eine Brief auf die andere Akte kommt?". Nun geht es aber ordentlich drunter und drüber und dazu noch dieser Zusteller, der immer alles in Abschrift braucht, um es dann wieder zurück zu bringen. "Oh Mann". Sie notiert sich die Anweisungen auf einem der 500 Spickzettel, die seit ihrem Arbeitsbeginn vor ihr in Griffweite liegen mit zwei gelben Stiften, da ja meist ein einzelner schneller weg ist, als man sich umdrehen kann.

 

Der Rechtskundige will sich nicht mit solchen Belanglosigkeiten das Gehirn verbiegen müssen und sich auf seine Fristen und Termine konzentrieren, schließlich macht er ja den Umsatz, von dem Lilly ein winziger Teil auf ihr Gehaltskonto transferiert wird. "Aber es wird schon besser.", stellt sie fest, als sich ihr offensives, lautes und forderndes Verkaufsprogramm auf der Arbeitsfestplatte in die Eselsecke verziehen muss, weil es stiller und konzentrierter an die Sache geht nun.

Sie Sonne zeigt auch in den letzten Sommerwochen, was sie kann. Das Inselleben ist paradiesisch. Es geht eine der Akten aus dem Leim, die transparente Einschubleiste hat sich vom kräftigen, altrosa Papier gelöst. "Wie verhext heute.", murmelt Lilly in sich hinein, als sie merkt, dass nicht nur ihr Auto eine Delle hat, ihr Leben eine neue Wendung nimmt, die sie so nicht geplant hat und scheinbar nicht kontrollieren kann, sondern auch das Office ist verrückt geworden und macht, was es will.

 

Der Drucker links von ihr am Fenster hat nicht nur die schönste Aussicht, sondern auch das abartigste Quietschen beim Druck, dass es je zu hören gab. Auf Nachfragen: "Der Techniker war wohl hier, aber dann ging es wieder so los.".

 

"Ein lebendiges Office.", stellt sie fest und wundert sich, warum sich die Kaffeemaschine um 16 Uhr nicht schon von selbst einschalten kann wenige Minuten zuvor. Genauso wäre es doch witzig, wenn sich die Türen der oberen Küchenschränke pünktlich öffnen, um die Butterkekse aus ihrer Verpackung auf das Silbertablett hüpfen zu lassen. Der Computer sollte sich von selbst einschalten, wenn Lilly das Foyer betritt.

 

"Meine Schritte müsste der doch schon längst erkennen.", spinnt sie ihre Gedanken weiter und fixiert mit strengem Blick das rote Plastikquadrat, dass am Kalender den jeweiligen Tag anzeigt. "Nichts, bewegt sich nicht.". Sie steht auf, schiebt es händisch weiter, bevor sie das schmale Fenster schließt und die Stromzufuhr zur Deckenbeleuchtung unterbricht. „Vale, bonum spirituum!“